Nr. 4: CENTAURY - Die Blüte des Dienens

 

 

Kraftformel:

Ich stehe gerade.

Ich bin der, der ich bin.

Ich will, was ich will.

Kurze Charakteristik

Für übertrieben gutmütige oder unterwürfige Menschen, die sich zu sehr ausnützen lassen.

 

Einsatzbereich

Zur Basisbehandlung bei: Persönlich­keits- und Lebens­schwäche mit mangelnder Selbst­behauptungs­kraft, Unterwürfigkeit oder Servilität, Unselb­ständigkeit, sorgen­voller Selbstlosig­keit, Selbstver­leug­nung oder Verzichtbereitschaft.  Alle krankhaften Störungen, die mit krankhafter Gutmütigkeit oder Unterwürfigkeit einhergehen oder davon ausgelöst wurden.  Im täglichen Leben bei: Schüchternheit, übertriebener Gut­mütigkeit oder Nachgiebigkeit.

 

Ursprung und Bild des Centaury-Syndroms

Die Anlage besteht in überdurchschnittlicher Hingabe­fähigkeit und ausgeprägtem Altruismus.

 

Bei harmonischer Entwicklung entsteht daraus ein sehr al­truistisch eingestellter, gutmütiger und mitfühlender Mensch. Weil er genau spürt, ob seine Mitmenschen sich wohlfühlen, und weil davon auch sein eigenes Wohl-

befinden abhängt, ist er immer bereit, sich ihnen zur Verfügung zu stellen oder ihnen bei Schwierigkeiten behilflich zu sein. Sein Verhalten entspricht dem, was man im guten Sinnen unter »Selbstlosig­keit« versteht, und weil es mit so großer, unbezweckter Natür­lichkeit geschieht, nützt es nicht nur den anderen, sondern auch dem Centaury-Menschen selbst: er lebt damit seine angeborene Hin­gabefähigkeit aus, folgt seiner inneren Be­stimmung und verwirklicht sich selbst. (Selbstverwirklichung – die Voraussetzung für ein erfülltes, glückliches Leben – besteht ja darin, daß wir alle unsere Anlagen und Möglich­keiten optimal entwickeln und entfalten.) So dient er den Menschen, ohne ein Diener zu sein, hilft sich selbst, indem er anderen hilft, ist selbstlos um seiner selbst willen. Und die Beliebtheit, die er deshalb genießt, wird durch die Tatsache, daß er in so selbst­verständlicher, freilassender Weise gibt, noch wesentlich verstärkt.

 

Unter ungünstigen Umständen kann seine Selbstlosigkeit zum Selbstverlust und seine Hingabefähigkeit zur Selbstauf­gabe entarten. Dann bewirkt sein menschenfreundliches Dienen ungute, menschenunwürdige Verhält-

nisse, die in rücksichtslosem Ausnützen und krankhaftem Sich-ausnützen-lassen bestehen. Menschen im krank­haften Centaury-Zustand besitzen keine Kraft zur Selbst­behauptung und erfüllen zwang­haft oder unterwürfig alle Wünsche und Forderungen, die an sie gestellt werden. Dabei werden sie schwach, frus­triert oder depressiv und sind unfähig zu einem eigenen, sinn­vollen Leben. Sie gleichen jenen Tieren, deren Wille ge­brochen ist und deren Lebenszweck darin besteht, miß­braucht und verbraucht zu werden. Daher kommt es oft vor, daß sie ihr Leben mit der aufopfern­den Pflege egoistischer, rücksichtsloser Familienangehöriger ver­geuden, daß sie sich von menschenverbrauchenden Institutionen ausnützen oder sich von jedem, der autoritär auftritt, unterjochen lassen.

 

So edel diese Haltung manchmal auch erscheinen mag und so angenehm sie für diejenigen ist, die gerne auf Kosten anderer leben, so unheilvoll ist sie letztlich für den Centaury-Menschen selbst. Vordergründig erleichtert es ihn zwar, sei­nem krankhaften Zwang nachzugeben, in der Tiefe seines Wesens aber ruft die Unmöglichkeit, den eigenen, berechtig­ten Bedürfnissen entsprechend zu leben und die eigene Per­sönlichkeit zu entwickeln, Unzufriedenheit und depressive Verstimmungen hervor.  Daran können auch die moralischen Ersatzwerte, mit denen er manchmal die verlorene Lebensfreude zu kompensieren ver­sucht, nichts ändern. Für jedermann ange-

nehm, mißbrauch­bar und seine Selbstverwirklichung nicht wagend, gleicht er – auch wegen der oft beste-henden Schwächezustände oder Entwicklungsstörungen – einer am ungünstigen Standort dahinkümmernden Pflanze. Die blasse oder gar gebrochene Persönlichkeit, die allgemeine Kraftlosigkeit, die untergrün­dige Freud-losigkeit zeigen, daß hier etwas nicht stimmt, daß gegen grundlegende Gesetze des Lebens, das immer auf Entfaltung, Wachstum und Freude ausgerichtet ist, verstoßen wird. Daher kann man auch in der Gegenwart von typischen Centaury-Menschen höchstens Mitleid, nicht aber Freude empfinden.

 

Wirkungsrichtung der Centaury-Essenz

Centaury ist das Mittel gegen Selbstaufgabe und krankhaften Verzicht. Es gibt persönliche Stärke, fördert das Bewußtsein, einen eigenen Wert und das Recht auf ein eigenes Leben zu besitzen. Man sollte Centaury unselbstständigen, schüchternen oder übertrieben gutmütigen Men­schen geben – vor allem Kindern - damit sie fähig werden, ihren Platz in der Gesell­schaft einzunehmen und zu behaupten. In der Familien­therapie wird es oft bei Abhängigkeiten oder Ausnützungs-Ver­hältnissen benötigt. Centaury fördert die sexuelle Entwicklung von Kindern mit farbloser Persönlichkeit und kann aufgrund seiner aufrichtenden Wirkung bei Wirbel­säulen­be-schwerden unterwürfiger Menschen nützlich sein.

 

Psychologisch-therapeutische Anmerkungen

Die natürliche Hingabefähigkeit des Centaury-Menschen, die mit großer Selbstlosigkeit gepaart ist, macht es ihm schwer, sich den Ansprüchen, die seine egoistische Umwelt an ihn stellt, zu widersetzen. Er gehört zu jenen Menschen, die niemals »nein!« sagen können. Daher ist er für alle besitz­ergreifenden, fordernden Menschen eine »leichte Beute«.  Vor allem empfindsame, altruistische Kinder werden oft schon früh von egozentrischen, willkürhaften Eltern oder Erziehern zu Sklaven gemacht, die es kaum wagen, eigene Wünsche zu haben oder zu äußern.

 

Um überleben zu können, müssen sie lernen, immer nachzu­geben, aufopfernd die Forderungen anderer zu erfüllen und sich selbst nichts oder nur wenig zu gönnen. Dieses Verhal­ten wird ihnen schließlich zur zweiten, ins Erwachsenenalter übernommenen Natur, da es die Möglichkeit zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ausschließt. Auch ihre Umwelt gibt ihnen dazu kein Chance, weil ja jede menschliche Beziehung auch eine gewisse Beeinflussung mit sich bringt. So schreibt R. Wilhelm im »I Ging«: »Wahrhaftigkeit gegen das Zerset­zende ist gefährlich – auch dem besten Menschen nahen sich gefährliche Elemente. Wenn man sich mit diesen einläßt, so wirkt ihr zersetzender Einfluß ganz langsam, aber sicher und zieht seine Gefahren unvermeidlich hintennach. « Jede unse­rer Unarten löst bei Menschen, mit denen wir zu tun haben, das entsprechende, ebenso üble Verhalten aus. Überraschen­derweise gilt dies auch für die scheinbar vorbild­liche Centaury-Einstellung.

 

Denn wie ein Raubtier gerade durch die Ängstlichkeit seines Opfers bösartig wird, so provoziert die unnatür-liche, zwang­hafte Unterwürfigkeit bei dafür veranlagten Menschen eine entsprechend übertriebene, hemmungs-

lose Willkür.

 

Wenn man mit einem Centaury-Menschen zu tun hat, erwartet man geradezu automatisch gutmütiges Nach-

geben oder selbst­loses Entgegenkommen und kommt kaum auf die Idee, ihm auch eigene Ansprüche und Bedürfnisse zuzugestehen.

 

Das Krankhafte daran besteht nicht darin, daß er seine eige­nen Interessen zurückstellt, um anderen behilflich zu sein, sondern daß dies aus einem unreflektierten, inneren Zwang heraus geschieht. Die Gutmütigkeit, Selbst-losigkeit oder Auf­opferung ist Ausdruck einer unter dem lebensbedrohenden Druck einer übermächtigen Um-

welt entstandenen Neurose und wird automatenhaft ohne bewußt positive Motivation praktiziert. Es ist für den Centaury-Menschen, da er von Natur aus »dünnhäutig«, empfindsam und harmoniebedürftig ist, zwar wichtig, mit seiner Umwelt in gutem Einvernehmen zu stehen, dennoch ist sein Verhalten nicht der spontane, »un­schul-

dige« Ausdruck seiner Anlagen, sondern ihr Zerrbild, das sich unter dem Druck ungünstiger Lebensbedingungen ent­wickelt hat. Diese bestehen nicht nur in den Menschen, mit denen er zu tun und denen zu dienen er sich angewöhnt hat, sondern auch dem geistigen, kulturellen Umfeld, in das er hineingeboren wurde, das heißt: vor allem der christlichen Moral, die sich weitgehend auf Schuld, Verzicht und Selbst­verneinung gründet. Ihrem Konzept nach muß sich der Mensch in den Dienst seines Nächsten stellen und seine persönlichen Bedürfnisse und Eigenarten, falls diese nicht damit übereinstimmen, unterdrücken oder geradezu ausmerzen. Diese Forde-

rung ist zwar im Grunde nur eine unrealisierbare Theorie, da sie elementaren Lebensgesetzen zuwiderläuft (und übrigens nicht einmal von den Kirchen selbst praktiziert wird), wird aber dem christlich erzogenen Menschen so tief eingeprägt, daß er seine persönliche Selbst­verwirklichung, um deretwillen er dieses Leben besitzt, nur mit Schuldgefühlen betreiben kann.

 

Der gute Christ bekommt ein schlechtes Gewissen, wenn es ihm gut geht, und sucht sofort zwanghaft nach Möglichkeiten, dafür zu büßen, indem er sich seine eigene Lebensfreude mit dem bitteren Gift fremden Leidens verdirbt. Absurderweise meint er, es sei in der Welt besser bestellt, wenn er mit den anderen mitleide, nach dem Motto: Geteiltes Leid ist halbes Leid. In Wirklichkeit aber bedeutet geteiltes Leid doppeltes Leid, weil dabei ja zwei Menschen leiden.

 

Das Fatale daran ist, daß hier ein durchaus richtiges Prinzip mißbraucht wird. Natürlich ist es schön und menschlich wert­voll, Freude in die Welt zu bringen beziehungsweise Leid zu verringern; doch dies kann nie-

mand dadurch erreichen, daß er sich selbst dem Leid aussetzt: mit-leidet. Im Gegenteil: er fügt dem Leiden der anderen sein eigenes, freiwillig über­nommenes hinzu. Die »christliche« Erziehung verwehrt dem Menschen die fundamentale Erkenntnis, daß nur aus der Freude auch wieder Freude entstehen, und er nur dann, wenn er selbst froh ist, auch andere Menschen froh machen kann. So verfolgt er etwas Richtiges auf dem falschem Weg, und seine Haltung ist statt »heilig« nur schein-heilig.

 

Im Centaury-Zustand stellt sich der Mensch nicht aus einer per­sönlichen, spontanen und selbstverantworteten Motivation, sondern aus einem inneren, krankhaften Zwang und aus un­ehr­licher Selbstverleugnung seinen Mitmenschen zur Ver­fügung. Er wird nicht froh und stark, während er andere pflegt, sich für sie aufopfert, ihnen zu Willen ist, sondern in der Tiefe seiner Seele frustriert. Ein – meist schon nicht mehr bewußt empfundener – eiserner Reifen preßt sein nach einem eige­nen Leben verlangendes Herz zusammen, und zugleich zwingt ihn eine drohende Stimme in seinem traurigen Inneren, sich selbst zu mißachten und auf die eigene Freude zu ver­zichten.

 

Daher ist es für ihn lebensentscheidend, seine seelische Ver­krüppelung zu erkennen. Er sollte wissen, daß sein Verhalten nicht, wie man ihm eingeredet hat und wie er selbst glauben möchte, Ausdruck einer hohen Moral, sondern lediglich eine Notmaßnahme und die krankhafte Folge einer Persönlich­keits­unterdrückung ist, die obendrein den allzu rücksichtslos fordernden Tendenzen bei anderen Vorschub leistet. Er müßte einsehen, daß er ein Recht auf ein eigenes Leben hat und das, wozu ihn seine menschenfreundliche, gutmütige Veranlagung treibt, nur erreichen kann, wenn er aus seiner intakten »egoistischen« Ganzheit heraus handelt.

 

Wenn er wieder zu sich selbst gefunden hat, wenn er aus seiner eigenen, persönlichen Moral heraus lebt, statt sich fremdem Zwang und Dogma zu unterwerfen und dies oben­drein für moralisch wertvoll zu erklären, dann weiß er immer genau, wie er handeln muß: einmal wird er sich den Ansprü­chen anderer versagen, auch wenn sie noch so leiden; und ein andermal wird er sich, auf Vorteile und Vergnügungen verzichtend, selbstlos seinem hilfebedürftigen Nächsten zur Verfügung stellen.

 

Dabei weiß er, daß er Verantwortung nur für sich selbst, nicht aber für die Welt zu tragen hat. Er folgt dem Wort: »Wirst du gerufen, so folge!« Wenn wir, den inneren Ruf dazu verneh­mend, einem anderen selbstlos beistehen, so bedeutet das keine Selbstaufgabe, sondern freudvolle Selbstverwirklichung.

 

Häufige Kombinationen mit anderen Mitteln

Agrimony (4+1): Krankhafte Gutmütigkeit

Cerato (4+5): Hörigkeit durch Persönlichkeitsschwäche

Chicory (4+8): Selbstsüchtige Aufopferung

Gentian (4+12): Persönlichkeits- und Willensschwäche

Gorse (4+13): Unterwürfigkeit aus Hoffnungslosigkeit

Hombeam (4+17): Überforderungsgefühl durch Unselbständigkeit

Larch (4+19): Hilfsbereitschaft aus Minderwertigkeitsgefühl

Mimulus (4+20): Ängstliche Unterwürfigkeit

Pine (4+24): Aufopferung aus Schuldgefühl

Red Chestnut (4+25): Sorgenvolle Selbstlosigkeit

Walnut (4+33): Unselbständig und beeinflußbar

Wild Rose (4+37): Resignation durch Persönlichkeitsschwäche