Kraftformel:
Ich bin wach.
Ich sehe klar.
Ich gestalte.
Kurze Charakteristik
Für Menschen, die sich Phantasien und Zukunftsträumen hingeben und dabei oft die Beziehung zur Realität verlieren.
Einsatzbereich
Zur Basisbehandlung bei: Gestörtem Verhältnis zur Realität mit Tagträumereien, kritiklosem Optimismus, Illusionen und Phantasien; Bewußtseinstrübungen bis zu Ohnmacht, Absencen oder Todessehnsucht. Alle krankhaften Störungen, die mit geistiger Abwesenheit oder Ohnmacht einhergehen oder davon ausgelöst wurden. Im täglichen Leben bei: Unaufmerksamkeit, Schläfrigkeit, Tendenz zu Ohnmacht.
Ursprung und Bild des Clematis-Syndroms
Die Anlage ist introvertiert und besteht in einer visionären Phantasie, einem starken Bedürfnis nach Lebens-freude und einer optimistischen Erwartungshaltung. Bei harmonischer Entwicklung entsteht daraus ein Mensch mit einem reichen Innenleben. Gefühle und Intuitionen nimmt er genauso ernst wie Verstand oder Logik. Er versteht es, aus seinen Eingebungen, Träumen oder Sehnsüchten eine erfreuliche Realität zu schaffen, indem er ihnen mit klarem Blick eine sinnvolle, vernünftige Form gibt. Er besitzt eine visionäre Begabung, die manchmal bis zur Hellsichtigkeit geht und es ihm – zum Beispiel als Künstler, Wissenschaftler oder Philosoph ermöglicht, zukünftige Entwicklungen vorauszusehen, zeitübergreifende Zusammenhänge zu erkennen oder futuristische Ideen zu entwickeln. Introvertiert, wie er ist, wirkt er meist etwas weltfremd oder verträumt und ist wegen seiner optimistischen Lebenseinstellung ein wandelndes Symbol der Hoffnung. In seinem Leben kommt er gut zurecht, da er bei Problemen wie mit einem sechsten Sinn immer noch einen Ausweg findet. Wenn aber auch für ihn die Schwierigkeiten zu groß sind, geht er einfach, ohne großen Schaden zu nehmen, in die »innere Emigration« und wartet mit optimistischer Geduld auf bessere Zeiten.
Unter ungünstigen Umständen – das heißt, bei zu nüchternen Lebensbedingungen oder geistiger Überlastung – kann diese intuitive, optimistische und gefühlsbetonte Anlage zu illusionär-positiver Tagträumerei und Reali-tätsflucht entarten. Dann verlieren die ohnehin introvertierten Clematis-Menschen mehr und mehr das Interesse an ihrem täglichen Leben, werden unaufmerksam oder versponnen. Sie beginnen, sich selbst oder ihre Pflichten zu vernachlässigen, aus der unangenehmen Realität in eine schönere Traumwelt zu entfliehen, von einer besseren Zukunft zu träumen oder sogar, wenn sie unglücklich sind, sich nach dem erlösenden Tode zu sehnen. Sie können auch eine Neigung zu Bewußtseinstrübung, Absencen oder Ohnmacht entwickeln. Die leichteren, sozusagen alltäglichen Formen des Clematis-Syndroms bestehen in der Unfähigkeit, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, da die Gedanken ständig auf Wanderschaft gehen. Weil man im Geiste laufend irgendwelche schönen und interessanten Ideen, Projekte oder Hirngespinste verfolgt, ist man unfähig, sich richtig mit dem zu beschäftigen, was tatsächlich zu tun ist. Stärker ausgeprägt ist diese Störung bei jenen Kindern, die in ihre Phantasien eingesponnen sind und den Anschluß an das reale Leben nicht bekommen, bei den romantischen Schwärmern, die ganz realitätsfremd immer nur von der großen Liebe träumen, oder jenen »Spinnern«, die in irgendwelchen phantastischen Visionen leben. Aber auch die haltlosen Spieler, die immer auf den großen Gewinn hoffen, die lebensfremden Religiösen, die fast schon im Jenseits leben, und nicht zuletzt die Alkohol- und Drogensüchtigen, die ihre frustrierende Lebensrealität durch angenehme Halluzinationen ersetzen, sind Variationen des Clematis-Syndroms.
Wirkungsrichtung der Clematis-Essenz
Clematis ist das Mittel für eine gesunde Beziehung zur Realität. Es wirkt jenen Tendenzen entgegen, die den Menschen aus seiner Lebenswirklichkeit entfernen, und ist nicht nur bei zu starken Tagträumereien, illusionärem Denken oder Drogenabhängigkeit, sondern auch bei allgemeiner Unaufmerksamkeit oder Schläfrigkeit hilfreich.
Neigung zu Ohnmacht oder Bewußtlosigkeit sind besondere Indikationen, weshalb es Bestandteil des Notfall-mittels (Rescue Remedy) ist. Kinder mit Schulproblemen brauchen oft Clematis, vor allem, wenn sie unter unglücklichen Umständen leben müssen, denen sie sich durch »innere Emigration« entziehen. Auch bei Todes-sehnsucht, die im Verlauf einer schweren Krankheit auftritt, sollte es versucht werden.
Psychologisch-therapeutische Anmerkungen
Unser Leben entsteht aus dem Zusammenwirken von rationalen und irrationalen, »diesseitigen« und »jenseitigen« Elementen. Nicht nur wache Aufmerksamkeit und nüchterner Realitätssinn, sondern auch träumerische Visionen und intuitive Erkenntnisse sind erforderlich, damit es bereichernd, sinnvoll und erfreulich wird. Im Grunde ist es ein Kunstwerk – oder sollte es jedenfalls sein -, denn es verleiht unseren Visionen und Eingebungen einen verständlichen Ausdruck und eine sinnvolle Form. Jeder von uns ist damit beschäftigt, seine Träume in Wirklichkeit, seine inneren Bilder in greifbare Tatsachen umzusetzen – allerdings je nach Veran-lagung mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
Während beim nüchternen Realisten alles einen praktisch-materiellen Akzent hat, orientieren sich Menschen vom Clematis-Typ überwiegend an »unsachlichen« Gefühlen und Werten.
Dieses persönliche »Gemisch» aus verstandes- und gefühlsmäßigen Elementen bildet ein labiles, inneres Gleichgewicht, das laufend an die sich ändernde Lebenssituation angepaßt wird. Wenn wir zu sentimental oder unrealistisch werden, provoziert unsere Psyche Ereignisse, die uns wieder zur Vernunft und auf den Boden der Realität zurückbringen; wenn unser Leben aber zu nüchtern oder hart wird, veranlaßt sie uns, es zu ändern, indem sie eine unwiderstehliche Sehnsucht nach dem Schönen und Wunderbaren hervorruft. Dabei gibt sie uns in Form von Träumen, Eingebungen oder Ahnungen wichtige, symbolische Hinweise, die wir nur zu entschlüsseln und in sinnvolles Leben umzusetzen brauchen, um wieder auf unseren eigenen Weg zurückzufinden.
Clematis-Menschen sind sehr romantisch eingestellt und brauchen ständig erfreuliche Gefühle; sie können nicht hart und ausdauernd kämpfen, sondern neigen dazu, sich bei Schwierigkeiten in ihre Traumwelt zurückzuziehen, die sie ja ganz nach Belieben gestalten können. Daher besteht bei ihnen immer die Gefahr, daß sie unter zu belastenden Lebensumständen – wozu vor allem eine unglückliche Familiensituation oder ein unbefriedigender Beruf gehört – ihre ohnehin nicht sehr feste Beziehung zur handfesten Realität noch weiter lockern und die unerfreuliche Gegenwart einfach durch schöne Illusionen und positive Erwartungen ersetzen. Das verschafft ihnen zwar Erleichterung und hilft ihnen, »sich über die Runden zu retten«, vertieft aber zugleich ihre Probleme. Denn je mehr sich die Clematis-Menschen aus ihrem ihnen uninteressant oder unerfreulich erscheinenden Leben zurückziehen, um so mehr verlieren sie den Kontakt dazu und um so weniger sind sie zu einer sanie-renden Lebensänderung motiviert.
Die Sanierung müßte darin bestehen, daß sie, statt aus unerfreulichen Lebenssituationen in erfreuliche Tagträume zu fliehen, sich der Realität mit größerer Aufmerksamkeit und Gefühlsoffenheit zuwenden. Wenn sie jene schmerzlichen Gefühle, die sie durch schöne Illusionen zu überspielen versuchen, bewußt durchleben und sich ehrlich eingestehen würden, daß sie alles, was ihnen begegnet, mitverursacht haben, würde ihnen klar, daß sie jene Besserung, die sie erhoffen, selbst herbeiführen müssen. Dann würden sie ihre Träume nicht an die Stelle der Wirklichkeit setzen, sondern Wirklichkeit werden lassen.
Statt auf irgendeine rettende Macht zu hoffen, würden sie beginnen, sich selbst zu retten; statt in ihrer unglücklichen Ehe wie Dornröschen vom rettenden Prinzen zu träumen, würden sie ihn selbst suchen; statt wie die Spieler auf das große Los zu hoffen, würden sie ihr Geld selbst verdienen; statt vor ihrem frustrierenden Leben in die vorübergehende Erleichterung durch Alkohol, Psychopharmaka oder Drogen auszuweichen, würden sie es ändern; statt in unlebendiger Dulderhaltung auf das Paradies im Jenseits zu warten, würden sie es schon im Diesseits suchen.
Wenn der Clematis-Mensch zu sich gefunden hat, geht er nicht mehr in das Kino seiner Träume und Illusionen, um sich »ein paar schöne Stunden zu machen« (und anschließend ernüchtert wieder in der Wirklichkeit zu erwachen), sondern bemüht sich mit der Kraft seines intuitiven Wissens und Sehnens um ein wirklich interessantes, erfülltes und schönes Leben. Clematis-Kinder allerdings, die diese Möglichkeit zur bewußten Lebensgestaltung nicht haben, sind auf die Aufmerksamkeit ihrer Eltern oder Bezugspersonen angewiesen. Diese brauchen nur zu beobachten, in welche Richtung die Träume und Sehnsüchte ihrer Kinder zielen, und die Symbole ernstzunehmen, durch die sich die kindliche Seele verständlich zu machen versucht, um zu wissen, welche Wege sie ihnen freimachen und welche Lebensbedingungen sie ihnen schaffen müssen.
Häufige Kombinationen mit anderen Mitteln
Chestnut Bud (9+7): Unaufmerksamkeit mit Tagträumereien
Gentian (9+12): Willensschwäche und Tagträumereien
Honeysuckle (9+16): Die totale Tagträumerei
Olive (9+23): Schläfrigkeit, Geistesabwesenheit, Halluzinationen oder Ohnmacht durch Erschöpfung
Rock Rose (9+26): Ohnmachtstendenz bei Panik
Scleranthus (9+28): Entscheidungsschwäche durch Tagträumereien
Star of Bethlehem (9+29): Ohnmacht bei schockierenden Erlebnisse
White Chestnut (9+35): Zwanghafte Zukunftsträume
Wild Rose (9+37): Resignation mit Todessehnsucht
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