Nr. 31: Vervain - Die Begeisterungsblüte


Kraftformel:

Ich lasse los.

Ich gebe Raum.

Ich erkenne das Mass.


Kurze Charakteristik

Für Menschen, die anderen ihre Über­zeugungen mit missionari­schem Eifer aufdrängen.

 

Einsatzbereich

Zur Basisbehandlung bei: missionarischen Tendenzen, intolerantem Idealismus, Welt­verbesserei, fixen Ideen, starren Prinzipien und Überzeugungen, Fanatismus, blindem Glaubenseifer.  Alle krankhaften Störungen, die mit Über­eifer oder missionarischer Aufdringlich­keit einhergehen oder davon ausgelöst wurden. Im täglichen Leben bei: Aufdringlichkeit, übertriebenem Enthusiasmus, Einseitigkeit, Vorurteilen, Maßlosigkeit, Streß, Nervosität, Spannung.

 

Ursprung und Bild des Vervain-Syndroms

Die Anlage ist extrovertiert und besteht aus menschenfreund­lichem Idealismus, zielgerichtetem Denken, Willensstärke und Dominanzbedürfnis.

 

Bei harmonischer Entwicklung entsteht daraus ein begeiste­rungsfähiger, einsatzfreudiger Idealist, der sein Können und Wissen anderen gerne zur Verfügung stellt. Er hat einen Blick dafür, was seine Mitmenschen brauchen, und ist stets bereit, ihnen dazu zu verhelfen. Seine menschen­freundliche, unei­gen­nützige Lebens-haltung verbindet sich mit Unterneh­mungs­lust und Willensstärke, so daß er außerge­wöhn­liche Leistungen zum Wohle anderer zu vollbringen pflegt. Weil er wünscht, daß es ihnen gut geht, käme es ihm nie in den Sinn, ihnen seine persönliche Meinung aufzudrän­gen, sie gewalt­sam zu seinen eigenen Vorstellungen zu be­kehren oder sie geistig zu unterjochen. So setzt er auf lebendige und gelun­ge­ne Weise die Missions-Idee in die Tat um: sich berufen und gesandt zu fühlen, die Bedürftigen am eigenen Reichtum teil­haben zu lassen und ihnen das zu bringen, was sie für Leib und Seele benötigen, sich zugleich aber davor zu hüten, ihnen etwas aufzuzwingen, was ihnen schadet.

 

Unter ungünstigen Umständen kann der Idealismus zu In­toleranz, die Hilfsbereitschaft zur Aufdringlichkeit und die natürliche Überlegenheit zur Herrschsucht entarten und den Vervain-Menschen zum unduldsamen Weltver-
besserer oder fanatischen Missionar machen. Von Natur aus auf Erfolg ein­gestellt und von einem gewissen Sendungsbewußtsein ge­trieben, kann ihm die Sensibilität für die Eigenarten anderer Menschen verlorengehen, so daß er es nicht lassen kann, un­gebeten in ihr Leben einzugreifen oder ihnen das, was er selbst gut findet, aufzudrängen. Gerade weil er es »doch so gut meint«, handelt er falsch und wird dann zu Recht als aufdringlich, intolerant oder fanatisch empfunden. Selbst wenn er körperlich nicht robust ist, mobilisiert er oft unter dem Zwang einer Idee oder Mission ungewöhnliche Kräfte. »Rastlos und nicht kaputtzukriegen«, sagen die Leute dann von ihm. Er besitzt eine bewundernswürdige Hingabe- und Konzentrationsfähigkeit, die sich allerdings nur auf das jeweilige Ziel bezieht.

 

Dem allgemeinen Leben in seiner Vielfalt, Wandelbarkeit und Widersprüchlichkeit steht er dagegen eher hilflos gegenüber und tut sich schwer damit, sein Engagement danach auszu­richten, ob seine Ideen und Absichten tatsächlich realisierbar und sinnvoll sind. Vor allem moralisch hochstehende Werte können sein Denken und Handeln weitgehend in ihren Bann ziehen. Unter Verlust des rechten Augenmaßes verfolgt er dann wie beses-

sen ein selbstgesetztes Ziel oder versucht mit missionarischem Eifer durchzusetzen, was er selbst für gut hält. Dabei entsteht ein Ungleichgewicht sowohl in seinem Inneren: Es gibt ja auch für ihn noch mehr als nur dieses eine Ziel oder diese Idee, als auch in seinem äußeren Leben: Die Realität hat ihre eigenen Gesetze, und auch die Menschen wehren sich gegen aufgedrängtes »Glück«. So richtet sich schließlich das Übermaß an falsch eingesetzter Kraft gegen ihn selbst und macht ihn hektisch, verspannt, schlaflos, ner­vös oder gestreßt, ohne daß er selbst merkt, wie übertrieben oder fanatisch, aufdringlich oder intolerant er geworden ist.

 

Wirkungsrichtung der Vervain-Essenz

Vervain ist das Mittel gegen streßerzeugenden Übereifer und missionarische Aufdringlichkeit. Es hilft, die Einstellung ande­rer Menschen zu respektieren und sie auf ihre eigene Weise glücklicher leben zu lassen. Es erweitert den Horizont und vermittelt die Erkenntnis, daß man selbst auch die Wahrheit nicht »mit Löffeln gegessen« hat. Zugleich verhindert es, daß Einsatzfreude und Tatendrang sich selbständig machen und Streß erzeugen. Daher wirkt es in entsprechenden Fällen auch gegen nervöse Spannungen, Schlaflosigkeit, Bluthoch-

druck oder Verkrampfungen und kann bei chronischer Überforde­rung oder ununterbrochenem Sympathikotonus die heilende Entspannungsphase einzuleiten helfen.

 

Psychologisch-therapeutische Anmerkungen

Das Problem des Vervain-Menschen besteht darin, daß ge­rade seine größte Tugend, nämlich die idealistische Hilfs­bereitschaft, zu maßlos und oberflächlich geworden ist. Hier­für ist einerseits unsere weitgehend sinnent-
leerte Kultur ver­antwortlich, die den Menschen nicht dazu erzieht, sich selbst zu finden und seinen Wahrheits-

sinn zu entwickeln (Wahrheit nicht im moralischen Sinne, sondern als das, was wirklich ist), und andererseits er selbst, da es ihm nicht ge­lingt, seine große Energie und Einsatzfreude sinnvoll und effektiv einzu­setzen. Jedenfalls sollte er sich über die Bedeu­tung von Ideal und Hilfe klarer sein.

 

»Ideale« sind im Grunde Kunstprodukte einer unzufriedenen Psyche. Wenn uns die Realität unseres Leben nicht das bietet, was wir wünschen, ersetzen wir sie oft durch eine ausgedach­te bessere – durch ein phantastisches Bild, in das wir ganz ein­seitig nur jene Aspekte einzeichnen, die uns angenehm oder gut erscheinen. Alles ver-
meintlich Schlechte oder Uner­freuliche wird dabei ausgeblendet. Wenn wir dieses aus wah­ren und unwahren Elementen bestehende Bild als das neh­men, was es ist: Theorie und Denkmodell, so bereichert es uns seelisch, gibt dem Leben Farbe und jenen Tendenzen Nahrung, die uns auf den eigenen Weg leiten. Dagegen führt es uns, wenn wir ihm unkritisch folgen, in die Irre, weil ja nur ein Teil daran stimmt.

 

Wir werden dabei in der Tiefe unseres Wesens nur noch unzu­friedener und geraten in einen noch tieferen Kon-

flikt mit dem »un-idealen« Leben, das wir – trotz allen Idealvorstellungen – nun einmal führen müssen.

 

Während Ideale, die wir nur auf uns selbst beziehen, noch ei­ne gewisse Elastizität besitzen und von unserer Psyche ganz instinktiv bis zu einem gewissen Grade der Realität angepaßt werden, fehlt jenen Idealen, die wir nach außen, auf die Welt und vor allem auf andere Menschen projizieren, dieses regu­lierende Element. Sie sind wesentlich theoretischer, weil sie hauptsächlich dem Verstand entspringen, und machen uns daher oft hart und intolerant. Vor allem in der Erziehung, wo sie zu Dogmen, oder in der Politik, wo sie zur Ideologie wer­den, können sie unheilvoll wirken.

 

Auch der extrovertierte Idealismus des Vervain-Menschen hat diese Komponente, so daß dieser in die Rolle des zwar von gutem Willen beseelten, dennoch für das »Opfer« schädlich wirkenden Missionars verfällt. Von sich auf den Rest der Welt schließend, meint er, was für ihn richtig ist, gelte auch für an­dere, und versäumt es, den Wert und die Berechtigung seines Handelns statt an seinem eigenen Vergnügen primär am Wohl­ergehen seines Objektes zu überprüfen.

 

Er überschätzt die Bedeutung seiner Überzeugungen, Ideale und Ziele, weil er sie an die Stelle der Lebensreali-

tät setzt; er mißachtet die Eigenart und berechtigte Andersartigkeit an­derer Menschen, weil er zu sehr von sich auf andere schließt; er übertreibt seinen Krafteinsatz, weil seine Ideen und Wün­sche ihm den klaren Überblick nehmen. Aus dieser einge­schränk­ten Sichtweise ergibt sich seine Intoleranz.

 

Dazu kommt noch, daß er meint, Hilfe bestehe darin, anderen Menschen ihre Probleme abzunehmen. Wie bei seinem Idea­lis­mus geht er davon aus, daß etwas, was er selbst gerne hät­te, auch für andere wünschenswert sein müsse. Seine große Einsatzfreude und sein begeisterter Tatendrang verlangen da­nach, ausgelebt zu werden und treiben ihn dazu, jedem seine guten Ratschläge und seine Hilfe aufzudrängen. Es kommt ihm gar nicht in den Sinn, daß jemand etwas anderes sucht und braucht, und er ignoriert, daß vorschnelle, wohlfeile Hilfe – trotz ihrer vordergründigen Annehmlichkeit – schädlich wirkt, weil sie den »Hilflosen« um die Chance betrügen, sich aus ei­gener Kraft zu helfen und damit stärker zu werden. Dazu schä­­digt er sich auch noch selbst, da er, von Kraft und Begei­sterung hingerissen, die vielfältigen inneren und äußeren Sig­nale mißachtet, die ihm sein getriebener und überforderter Kör­per in Form von Streß-Symptomen gibt. Es kommt daher für ihn darauf an, Gelassenheit und Abstand – vor allem von sich selbst – zu gewinnen und bewußt seine positiven Seiten: die große, selbstlose Einsatzfreude, die edle Motivation, die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sinnvoll, maßvoll und nutzbringend auszuleben.

 

Häufige Kombinationen mit anderen Mitteln

Holly (15+31): Reizbarer Weltverbesserer

Impatiens (18+31): Streß und Hetze

Oak (22+31): Streß durch Leistungszwang

Vine (31+32): Total intolerantes Verhalten

White Chestnut (31+35): Fixe Ideen