Kraftformel:
Ich lebe heute.
Ich blicke nach vorn.
Kurze Charakteristik
Für Menschen, die sich nicht von der Vergangenheit lösen können.
Einsatzbereich
Zur Basisbehandlung bei: Störungen des Realitätsbezuges, Wirklichkeitsflucht, mangelndem Interesse an der Gegenwart, wehmütiger Stimmungslage, nostalgischer Lebenshaltung. Alle krankhaften Störungen, die mit wehmütigen Erinnerungen einhergehen oder davon ausgelöst wurden. Im täglichen Leben bei: Erinnerungen, Heimweh, Trauer durch Verlust.
Ursprung und Bild des Honeysuckle-Syndroms
Die Anlage besteht in einer träumerischen Empfindsamkeit, einem großen Glücksbedürfnis und einer guten Erinnerungsfähigkeit bei defensiver Ängstlichkeit und passiver Lebenshaltung.
Bei harmonischer Entwicklung entsteht daraus ein romantischer, gefühlvoller Mensch mit einem glücklichen Naturell, der es versteht, dem Leben seine schönen Seiten abzugewinnen. Er sieht gewissermaßen alles durch die »rosa Brille«, die das Erfreuliche betont und das Unerfreuliche abschwächt, wobei er allerdings nicht die Wirklichkeit illusionär verfälscht, sondern sie aus einer grundsätzlich positiven Einstellung heraus bewertet. Er beherrscht dabei die Kunst, nie die Beziehung zur Lebensrealität, die ja stets aus einer Mischung von positiven und negativen Elementen besteht, zu verlieren und versteht es, in seiner überwiegend erfreulichen Lebensrealität auch jene kleine Prise an Ärger, Belastung oder Leid zuzulassen, die uns, wie die Hefe im Teig, vorwärts treibt und Einblick in die tieferen Zusammenhänge des Seins gewährt. So wird für ihn auch das (oberflächlich gesehen) Unerfreuliche in einem höheren Sinne erfreulich, weil es ihm zu einer bedeutsameren und wert-
volleren Perspektive verhilft. Aber er erlebt nicht nur die Wirklichkeit als schön, sondern er besitzt darüber hinaus auch die Fähigkeit, seine glücklichen Empfindungen in so lebendiger Erinnerung zu halten, daß sie sein ganzes Lebensgefühl durchsetzen. Künstler, die es verstehen, das unvergänglich Schöne aus der Flüchtigkeit des Augenblicks wie eine kostbare Essenz herauszudestillieren und in ihren Werken auszudrücken, haben diese Anlage. Der harmonisch entwickelte Honeysuckle-Mensch ist sehr beliebt, weil er bei anderen Menschen das Wissen um das Schöne und Wunderbare wiederbelebt, das ihnen im nüchternen Alltag allzu leicht verlorengeht, und weil er, am materiellen Konkurrenzkampf wenig interessiert (er besitzt ja inneren Reichtum), niemandem etwas streitig macht.
Unter ungünstigen Umständen entsteht aus dem großen Bedürfnis nach Glück, den vielen schönen Erinne-rungen und der relativen Lebensschwäche die Gewohnheit, aus der harten Gegenwart in eine erfreulichere Vergangenheit zu fliehen. Empfindsam und passiv, wie er ist, meint der Honeysuckle-Mensch fast schon grund-sätzlich, daß das Leben früher viel schöner und leichter war, wobei er die Vergangenheit meist nachträglich etwas retuschiert. In angenehmen Träumereien und Erinnerungen schafft er sich ein heilsames Gegengewicht zur unangenehmen Realität. So reagieren Kinder mit Heimweh oder Menschen, die einen Verlust nicht ver-
winden können; da sie mit den neuen Lebensumständen nicht zurechtkommen, fliehen sie in romantische Erinnerungen und wünschen die »gute alte Zeit« zurück. Auch jene Dichter, die in ihren Werken wehmutsvoll dem verlorenen Glück nachtrauern, gehören dazu. Das Honeysuckle-Syndrom macht den Menschen weitgehend unfähig, mit seinem Leben klarzukommen. Er versinkt in Trauer, in Heimweh oder Träumereien und verliert dabei immer mehr den Kontakt zu seinem dennoch ihn täglich fordernden Leben. Dadurch wird auch die Ent-
wicklung von Süchten gefördert, denn Sucht bedeutet die Suche nach dem Erfreulichen oder Wunderbaren und ist ein Versuch, es immer wieder künstlich heraufzubeschwören.
Wirkungsrichtung der Honeysuckle-Essenz
Honeysuckle ist das Mittel gegen krankhafte Nostalgie. Es weckt das Interesse für Gegenwart und Realität, läßt allzu aufdringliche, erfreulich eingefärbte Erinnerungen verblassen. Daher ist es hilfreich bei Heimweh, nostal-gischer Schwärmerei und besonders bei Trauer (die ja im Grunde bedeutet, daß man eine neue Lebensrealität nicht annehmen kann, weil man die frühere für schöner hält). Es verbessert die Fähigkeit, sich in neuen, uner-
freulich erscheinenden Lebensumständen zurechtzufinden (Heimweh!) und kann die Neigung zu Süchten ab-
bauen, die einer Realitätsverweigerung entspringen.
Psychologisch-therapeutische Anmerkungen
Das typische Honeysuckle-Verhalten ist die Folge zu harter oder nüchterner Lebensumstände. Der Honeysuckle-Mensch, vor allem als Kind, ist ja besonders empfindsam und glücksbedürftig. Wenn er zu schnell oder brutal aus dem schützenden Kokon, den er sich aus schönen Erlebnissen zu weben und in dem er sich zu wärmen und verstecken pflegt, herausgerissen wird, wenn er zu abrupt oder brutal mit der wenig romantischen Wirklichkeit konfrontiert wird oder wegen seiner »poetischen« Anlage unter verständnislosen erzieherischen Druck gesetzt wird, so kann er sich – mehr aus instinktiver Schutzreaktion als aus Trotz – ganz in seine ausgedachte, »heile« Welt zurückziehen und für das normale Leben untauglich werden.
Es gibt allerdings auch Honeysuckle-Typen, die sich unter dem Druck der Lebensbedingungen eine gewisse Tüchtigkeit und Nüchternheit aneignen; da diese aber nur eine äußerst brüchige Schicht bilden, können sie jederzeit aufgrund eines tiefergehenden Verlustes oder einschneidender Lebensveränderungen zur Über-
raschung aller plötzlich in unstillbare Trauer versinken oder völlig den Kontakt zur Lebenswirklichkeit verlieren. Man sollte nicht versuchen, dem Honeysuckle-Kind oder -Menschen seine »poetische« Anlage auszutreiben, um ihn »lebenstüchtig« zu machen. Wenn er sein Leben seiner Mentalität entsprechend gestalten darf, wobei ein gewisses künstlerisches Element immer eine große Rolle spielt, kann er durchaus auch im praktischen Alltag Fuß fassen – allerdings gewissermaßen nur auf einem Bein, denn das andere steht immer in jener Dimension, in der die Träume und Wunder zu Hause sind.
Ein Mensch, der in einen ausgeprägten Honeysuckle-Zustand geraten ist, zum Beispiel in Form von unstillbarem Heimweh oder unendlicher Trauer, braucht, falls die Erfüllung seines dringenden Wunsch unmöglich ist, ein-
fühlende und verständnisvolle Hilfe bei der Anpassung an seine gegenwärtige Lebenssituation. Dabei muß er die Möglichkeit haben, auch dort das (ja immer vorhandene) träumerische, unwirkliche Element zu finden. Man hilft ihm nicht viel, wenn man ihm empfiehlt, sich doch endlich zusammenzureißen, oder wenn man ihn ver-
nünftig auf irgendwelche äußerlichen Vorteile aufmerksam macht; vielmehr sollte man herauszufinden suchen, wonach seine Seele verlangt und es ihm – auch wenn es unverständlich oder albern erscheint – zukommen lassen. Nur so kann er wieder Vertrauen und Mut zum Leben fassen und beginnen, sich auf seine Weise darin zurechtzufinden.
Häufige Kombinationen mit anderen Mitteln
Chestnut Bud (16+7): Unaufmerksamkeit durch nostalgische Träumereien
Chicory (16+8): Trauer bei Liebesverlust
Clematis (16+9): Die totale Tagträumerei
Gentian (16+12): Nostalgische Lebensschwäche
Heather (16+14): Eitle Jugendlichkeit
Hornbeam (16+17): Flucht in die Vergangenheit aus Überforderungsgefühl
Larch (16+19): Flucht in die Vergangenheit aus mangelndem Selbstvertrauen
Mimulus (16+20): Flucht in die Vergangenheit aus Ängstlichkeit
Mustard (16+21): Depressionen durch Verlust
Olive (16+23): Flucht in die Vergangenheit aus Erschöpfung
Star of Bethlehem (16+29): Unbewältigter Verlust
White Chestnut (16+35): Zwanghafte Erinnerungen
Wild Rose (16+37): Wehmütige Resignation
Willow (16+38): Verbitterung durch Verlust
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