Nr. 16: Honeysuckle - Die Vergangenheitsblüte



Kraftformel:

Ich lebe heute.

Ich blicke nach vorn.

Kurze Charakteristik

Für Menschen, die sich nicht von der Vergangenheit lösen können.

 

Einsatzbereich

Zur Basisbehandlung bei: Störungen des Realitätsbezuges, Wirklichkeits­flucht, man­geln­dem Interesse an der Gegenwart, wehmütiger Stimmungs­lage, nostalgischer Lebenshaltung.  Alle krankhaften Störungen, die mit wehmütigen Erinne­rungen einhergehen oder davon ausgelöst wurden.  Im täglichen Leben bei: Erinnerungen, Heimweh, Trauer durch Verlust.

 

Ursprung und Bild des Honeysuckle-Syndroms

Die Anlage besteht in einer träumerischen Empfindsamkeit, einem großen Glücksbedürfnis und einer guten Erinnerungs­fähigkeit bei defensiver Ängstlichkeit und passiver Lebens­haltung.

 

Bei harmonischer Entwicklung entsteht daraus ein roman­tischer, gefühlvoller Mensch mit einem glücklichen Naturell, der es versteht, dem Leben seine schönen Seiten abzugewin­nen. Er sieht gewissermaßen alles durch die »rosa Brille«, die das Erfreuliche betont und das Unerfreuliche abschwächt, wo­­bei er allerdings nicht die Wirklichkeit illusionär verfälscht, sondern sie aus einer grundsätzlich positiven Einstellung he­raus bewertet. Er beherrscht dabei die Kunst, nie die Be­zie­hung zur Lebensrealität, die ja stets aus einer Mischung von positiven und negativen Elementen besteht, zu verlieren und versteht es, in seiner überwiegend erfreulichen Lebens­realität auch jene kleine Prise an Ärger, Belastung oder Leid zuzulas­sen, die uns, wie die Hefe im Teig, vorwärts treibt und Ein­blick in die tieferen Zusammenhänge des Seins gewährt. So wird für ihn auch das (oberflächlich gesehen) Unerfreu­liche in einem höheren Sinne erfreulich, weil es ihm zu einer bedeut­sameren und wert-

volleren Perspektive verhilft. Aber er erlebt nicht nur die Wirklichkeit als schön, sondern er besitzt da­rüber hinaus auch die Fähigkeit, seine glücklichen Empfin­dun­gen in so lebendiger Erinnerung zu halten, daß sie sein ganzes Lebensgefühl durchsetzen. Künstler, die es verstehen, das unvergänglich Schöne aus der Flüchtigkeit des Augen­blicks wie eine kostbare Essenz herauszudestillieren und in ihren Werken auszudrücken, haben diese Anlage. Der harmo­nisch entwickelte Honeysuckle-Mensch ist sehr beliebt, weil er bei anderen Menschen das Wissen um das Schöne und Wunderbare wiederbelebt, das ihnen im nüchternen Alltag allzu leicht verlorengeht, und weil er, am materiellen Kon­kurrenzkampf wenig interessiert (er besitzt ja inneren Reichtum), niemandem etwas streitig macht.

 

Unter ungünstigen Umständen entsteht aus dem großen Bedürfnis nach Glück, den vielen schönen Erinne-rungen und der relativen Lebensschwäche die Gewohnheit, aus der har­ten Gegenwart in eine erfreulichere Vergangenheit zu fliehen. Empfindsam und passiv, wie er ist, meint der Honeysuckle-Mensch fast schon grund-sätzlich, daß das Leben früher viel schöner und leichter war, wobei er die Vergangenheit meist nachträglich etwas retuschiert. In angenehmen Träumereien und Erinnerungen schafft er sich ein heilsames Gegenge­wicht zur unangenehmen Realität. So reagieren Kinder mit Heimweh oder Menschen, die einen Verlust nicht ver-

winden können; da sie mit den neuen Lebensumständen nicht zu­rechtkommen, fliehen sie in romantische Erinnerungen und wünschen die »gute alte Zeit« zurück. Auch jene Dichter, die in ihren Werken wehmutsvoll dem verlorenen Glück nach­trauern, gehören dazu. Das Honeysuckle-Syndrom macht den Menschen weitgehend unfähig, mit seinem Leben klarzu­kommen. Er versinkt in Trauer, in Heimweh oder Träumereien und verliert dabei immer mehr den Kontakt zu seinem den­noch ihn täglich fordernden Leben. Dadurch wird auch die Ent-

wicklung von Süchten gefördert, denn Sucht bedeutet die Suche nach dem Erfreulichen oder Wunderbaren und ist ein Versuch, es immer wieder künstlich heraufzubeschwören.

 

Wirkungsrichtung der Honeysuckle-Essenz

Honeysuckle ist das Mittel gegen krankhafte Nostalgie. Es weckt das Interesse für Gegenwart und Realität, läßt allzu aufdringliche, erfreulich eingefärbte Erinnerungen verblassen. Daher ist es hilfreich bei Heimweh, nostal-gischer Schwärme­rei und besonders bei Trauer (die ja im Grunde bedeutet, daß man eine neue Lebensrealität nicht annehmen kann, weil man die frühere für schöner hält). Es verbessert die Fähigkeit, sich in neuen, uner-

freulich erscheinenden Lebens­umständen zu­rechtzufinden (Heimweh!) und kann die Neigung zu Süchten ab-

bauen, die einer Realitätsverweigerung entspringen.

 

Psychologisch-therapeutische Anmerkungen

Das typische Honeysuckle-Verhalten ist die Folge zu harter oder nüchterner Lebensumstände. Der Honeysuckle-Mensch, vor allem als Kind, ist ja besonders empfindsam und glücks­bedürftig. Wenn er zu schnell oder brutal aus dem schüt­zen­den Kokon, den er sich aus schönen Erlebnissen zu weben und in dem er sich zu wärmen und verstecken pflegt, heraus­gerissen wird, wenn er zu abrupt oder brutal mit der wenig romantischen Wirklichkeit konfrontiert wird oder wegen sei­ner »poetischen« Anlage unter verständnislosen erzieheri­schen Druck gesetzt wird, so kann er sich – mehr aus instink­tiver Schutzreaktion als aus Trotz – ganz in seine ausgedachte, »heile« Welt zurückziehen und für das normale Leben untaug­lich werden.

 

Es gibt allerdings auch Honeysuckle-Typen, die sich unter dem Druck der Lebensbedingungen eine gewisse Tüchtigkeit und Nüchternheit aneignen; da diese aber nur eine äußerst brüchige Schicht bilden, können sie jederzeit aufgrund eines tiefergehenden Verlustes oder einschneidender Lebensver­änderungen zur Über-

raschung aller plötzlich in unstillbare Trauer versinken oder völlig den Kontakt zur Lebenswirk­lich­keit verlieren.  Man sollte nicht versuchen, dem Honeysuckle-Kind oder -Menschen seine »poetische« Anlage auszutreiben, um ihn »lebenstüchtig« zu machen. Wenn er sein Leben seiner Men­talität entsprechend gestalten darf, wobei ein gewisses künst­lerisches Element immer eine große Rolle spielt, kann er durch­aus auch im praktischen Alltag Fuß fassen – allerdings gewissermaßen nur auf einem Bein, denn das andere steht immer in jener Dimension, in der die Träume und Wunder zu Hause sind.

 

Ein Mensch, der in einen ausgeprägten Honeysuckle-Zustand geraten ist, zum Beispiel in Form von unstillbarem Heimweh oder unendlicher Trauer, braucht, falls die Erfüllung seines dringenden Wunsch unmöglich ist, ein-

fühlende und ver­ständnisvolle Hilfe bei der Anpassung an seine gegenwärtige Lebenssituation. Dabei muß er die Möglichkeit haben, auch dort das (ja immer vorhandene) träumerische, unwirkliche Element zu finden. Man hilft ihm nicht viel, wenn man ihm empfiehlt, sich doch endlich zusammenzureißen, oder wenn man ihn ver-

nünftig auf irgendwelche äußerlichen Vorteile aufmerksam macht; vielmehr sollte man herauszufinden suchen, wonach seine Seele verlangt und es ihm – auch wenn es unverständlich oder albern erscheint – zukommen lassen. Nur so kann er wieder Vertrauen und Mut zum Leben fassen und beginnen, sich auf seine Weise darin zurechtzufinden.

 

Häufige Kombinationen mit anderen Mitteln

Chestnut Bud (16+7): Unaufmerksamkeit durch nostalgische Träumereien

Chicory (16+8): Trauer bei Liebesverlust

Clematis (16+9): Die totale Tagträumerei

Gentian (16+12): Nostalgische Lebensschwäche

Heather (16+14): Eitle Jugendlichkeit

Hornbeam (16+17): Flucht in die Vergangenheit aus Überforderungsgefühl

Larch (16+19): Flucht in die Vergangenheit aus mangelndem Selbstvertrauen

Mimulus (16+20): Flucht in die Vergangenheit aus Ängstlichkeit

Mustard (16+21): Depressionen durch Verlust

Olive (16+23): Flucht in die Vergangenheit aus Erschöpfung

Star of Bethlehem (16+29): Unbewältigter Verlust

White Chestnut (16+35): Zwanghafte Erinnerungen

Wild Rose (16+37): Wehmütige Resignation

Willow (16+38): Verbitterung durch Verlust